11.11.22
Hydrolate treffen auf WiesenObst
Düfte und Aromen von Kräutern, Blüten und Gewürzen werden
bei uns durch Extraktion in die flüssige Komposition überführt.
Die feinst zerkleinerten Botanicals werden dazu in den alkoholfreien
Ansatz eingerührt und über einige Stunden darin
ausgezogen, sozusagen mazeriert. Ist die Rezeptur zusammengestellt,
beginnt das Ausfeilen. Die Rezeptur ist sozusagen nur
der rote Faden, nun beginnt die Phase des weiteren Abschmeckens
und Verfeinerns. Martin Recher, ebenso wie Jörg Geiger gelernter Koch, begleitet
nun bereits 18 Jahre, zuerst am Herd der Restaurantküche, heute mit etwas größeren
Kesseln versehen, die täglich neu entstehenden Geschmackkreationen und
steht mit seiner Arbeit, wie ein guter Sous Chef eben, für die stete Qualität, für die
Präzision der Ausarbeitung und für die Akribie in der Umsetzung.
Ist das mögliche Maß an aromatischer Perfektion erreicht, erfolgt noch am
selben Tag die Gelatineschönung oder eben vegan mit Kartoffel- oder Erbsenprotein,
die dann allesamt ihre klärende Wirkung über Nacht entfalten. Am
nächsten Morgen beginnt die mehrstufige Filtration und somit das Abscheiden
der zurückbleibenden, festen Bestandteile. Die Aromatik sollte sich jetzt fest in
das Getränk durch die erfolgte kalte Mazeration integriert haben.
Über die Jahre haben wir eine Vielzahl von Gerätschaften zur Zerkleinerung für
uns dabei entdeckt, je nach Härte und Struktur des Rohstoffs und dem Grad der
gewünschten Zerkleinerung. Um die notwendigen zwanzig Kilogramm Kaffee direkt
frisch für die nächste „Cuvée Nr. 15“ zu mahlen, benötigt die häusliche Kaffeemühle
einige Verschnaufpausen. Der Tischkutter mit seinen fünf Litern Inhalt
tut gute Dienste, wenn es um das Zerkleinern von trockenen Blüten geht – Orangen-,
Linden - oder Lavendelblüten. Soll eher wenig Mechanik auf ein Schnittgut
einwirken, so zerschneidet uns ein Metzgereikutter mit sehr scharfen Messern
schnell und klein frische Blüten und Kräuter zur direkten Verwendung.
Für die Mehrzahl der gefrorenen Kräuter und Blüten, Blätter und Zweige bis
hin zur Austernschale bedarf es aber schon massiveren Geräts. Die fast schon
historisch anmutende Hammermühle aus den 1950er Jahren mit einer Stern
Dreieckschaltung und ordentlichen 15 KW zerkleinert mit den Hammerschlegeln
staubfein fast alles, was man ihr in den Rachen wirft. So sind wir in der
Lage, den wärmeempfindlichen Duft der Holunderblüten gut ins Getränk zu
retten, indem wir die frisch geernteten Blüten umgehend vakuumieren, schnell
einfrieren und dann, von der schützenden
Folie befreit, im gefrorenen Zustand
umgehend feinst zerkleinern, ohne dass
Wärme und Oxidation durch Luft wirklich
stattfinden kann, sofern sofort in Flüssigkeit
getaucht die Mazeration beginnt.
Nun nutzen wir seit Generationen auch
das Prinzip der Destillation in unserem
Haus. Für unsere Brände sind wir gewohnt,
die Aromen der alten Obstsorten
im Alkohol zu konzentrieren.
Zur Herstellung von Parfüms wird wohl
ebenso lange schon durch eine wasserbasierte
Destillation der Duft aus Kräuter
und Blüten entzogen, so entstehen seit
Jahrhunderten auch Öl und Wasser – sogenanntes
Hydrolat – aus Lavendel oder
Rose. Gleichzeitig sind wir gewohnt, bei
der alkoholischen Destillation Anteile abzutrennen,
die entweder aromatisch oder aus Aspekten der Gesundheitserhaltung
nicht gewünscht sind. Wir nutzen bei der diskontinuierlichen Destillation
in den kupfernen Brenngeräten bei uns das Prinzip der Fraktionierung.
Nicht nur der gewünschte Duft einer Frucht, auch der von Hölzern, Kräutern
und Gewürzen, besteht aus einer Vielzahl von Aromakomponenten, jede Komponente
hat ihren individuellen Siedepunkt. Setzt man nun feinst vermahlene
Wacholderbeeren oder Kümmelsamen in heißem Wasser an, zerkleinern wir
diese zuerst im Thermomix, rösten an und extrahieren dann in warmem Wasser
über einige Stunden das Gesamtaroma, bevor es dann durch die diskontinuierliche
Destillation nicht nur konzentriert, sondern ebenso unterschiedlich fraktioniert
wird.
Wacholder erinnert am Anfang der wasserbasierten Destillation eher an verbrannten
Gummi, erst im Mittelstück kommen die feinen Nuancen des Wacholders
zum Vorschein, die es zu bewahren gilt. Am Ende kommen eher schwere
ölige Substanzen, die dem Hydrolat seine Eleganz nehmen würden, auch dieser
anfallende Teil wird verworfen, um dann alsbald den Destillationsvorgang abzubrechen.
Die sensorisch optimalen Punkte zu finden, dies bedarf Fingerspitzengefühl
und Passion. Mimi Schübl, unser Destillateur, trägt hier seinen Teil
zum Gelingen bei - für die Linie mit Hydrolat verfeinerten, alkoholfreien Longdrinks,
den sogenannten „Virgin Longdrinks“.
Intensiver, ausdrucksstärker und eben im Einsatz wie ein Gin Tonic zu verstehen,
nur eben ohne Alkohol - so ist unser „Dzin Bitter“ gedacht. Das Longdrinkglas
mit Eiswürfel ordentlich befüllen, mit „Dzin Bitter“ aufgießen und je nach Gusto
noch mit einer Garnitur verfeinern. Das Eis gibt dem Drink seine Leichtigkeit
und einen interessanten Verlauf bis zum letzten Schluck. Eines werden sie bei
diesem Erlebnis nicht vermissen, den Alkohol. Neben „Dzin Bitter“ ist so nun
auch „AECHT [Kimmel]“ in der 0,375l Flasche entstanden – beide präsentieren
sich selbstbewusst in eigenem Look mit schwarzem Etikett und dies ganz ohne
Konservierungsstoffe, wie sonst bei alkoholfreiem Gin üblich.